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06. Mai 2024

Red Bull, Radsport, Reformen: Bora-Hansgrohe-Teamchef Denk im SPOBIS-Interview

Der Einstieg von Red Bull beim deutschen Radteam Bora-Hansgrohe hat im Sportbusiness für Aufsehen gesorgt. Was hinter dem Deal steckt und wie der gesamte Profiradsport noch mehr erreichen kann, hat uns Teammanager Ralph Denk erklärt.

SPOBIS: Herr Denk, zu Beginn eine sportliche Frage: Wie fällt Ihr bisheriges Saisonfazit aus?

Denk: Wir liegen im Soll. Bora-Hansgrohe zählt nicht zu den Teams, die sowohl bei den Rundfahrten als auch bei den klassischen Eintagesrennen auf Sieg fahren können. Bei Rennen auf Kopfsteinpflaster wie Paris-Roubaix ist ein anderer Fahrertyp gefragt als beispielsweise beim Giro d'Italia. Deswegen ging es für uns bei den ersten Rennen vor allem darum, unbeschadet durchzukommen.

SPOBIS: Was ist im weiteren Saisonverlauf noch drin?

Denk: Unser Bestreben ist, ein Top-Team zu sein. Wir belegen aktuell den zehnten Platz im Team-Ranking der UCI World Tour – bei insgesamt 18 Mannschaften. Da ist also noch Potenzial nach oben. Deshalb ist unser klares Ziel, mit guten Ergebnissen in der Tabelle weiter nach oben zu klettern.

SPOBIS: Die Saison 2024 ist Ihre insgesamt 15. als Profiteam. Was waren die größten Meilensteine für Sie?

Denk: Da muss ich mehrere Momente und Wegmarken nennen: zum einen unsere erste Grand Tour, der Giro d'Italia im Jahr 2012. Zum anderen die Verpflichtung von Peter Sagan Ende 2016. Der war damals amtierender Weltmeister und ist trotzdem zu uns als „Zweitligist“ gewechselt.

SPOBIS: Was für eine Wirkung hatte dieser Transfercoup für Ihr Team?

Denk: Das war ein Ritterschlag für uns, weil Peter zu dem Zeitpunkt einer der gefragtesten Fahrer im Radsport war. Einen solchen Topstar unter Vertrag zu nehmen, hat uns enorm dabei geholfen, Unternehmen wie unseren Titelsponsor Hansgrohe als Partner zu gewinnen.

SPOBIS: Der Radsport erfährt aktuell eine mediale Beachtung – auch abseits der klassischen Übertragungen – wie lange nicht mehr. Streaming-Gigant Netflix hat der Tour de France beispielsweise eine eigene Doku-Reihe gewidmet. Wie profitieren Sie als Team davon?

Denk: Ich würde schon sagen, dass Netflix dazu beigetragen hat, unseren Sport für ein neues Publikum zu öffnen und interessanter zu machen. Die Doku gibt tiefe Einblicke in den Radsport und trägt dazu bei, unseren Sport besser zu verstehen. Das geht so weit, dass ich neuen Mitarbeitenden von uns empfehle, zum Jobstart die Netflix-Serie anzuschauen, um ein besseres Gefühl für unseren Sport zu bekommen.

SPOBIS: Im Sponsoring haben Sie bereits im Jahr 2022 durch die langfristigen Verlängerungen mit Titelsponsor Bora und Hauptsponsor Hansgrohe Planungssicherheit geschafft. Wie sehen Sie das Team in der Vermarktung im Vergleich zu anderen Konkurrenten aufgestellt?

Denk: Damals waren wir – zusammen mit Bora und Hansgrohe – der Meinung, dass wir mit den vereinbarten Investments die beste Mannschaft der Welt werden können. Der Radsport hat sich in der Zwischenzeit allerdings so rasant weiterentwickelt, dass diese Einschätzung von vor zwei Jahren nicht mehr realistisch ist.

SPOBIS: Warum?

Denk: Es gibt mittlerweile eine Reihe von Teams, die über deutlich höhere Budgets verfügen. Das ist für uns in der aktuellen Konstellation schlicht und einfach nicht zu realisieren. Das bedeutet für uns: Wir müssen einen smarten Weg finden, wie wir unsere Gelder einsetzen.

Abstand wird verringert: Bora-Hansgrohe schließt mithilfe des neuen Mehrheitseigentümers Red Bull zu den finanziellen Schwergewichten Ineos Grenadiers und UAE Team Emirates auf. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

Abstand wird verringert: Bora-Hansgrohe schließt mithilfe des neuen Mehrheitseigentümers Red Bull zu den finanziellen Schwergewichten Ineos Grenadiers und UAE Team Emirates auf. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

SPOBIS: Wie sieht dieser Weg konkret aus?

Denk: Das beginnt – wie im Profisport üblich – mit der Kaderzusammenstellung. Während es sich Konkurrenten wie Ineos Grenadiers und das UAE Team Emirates leisten können, sowohl auf den Eintagesrennen als auch den Rundfahrten Fahrer an den Start zu schicken, die um den Sieg mitfahren, müssen wir uns stärker fokussieren. Mittelfristig wollen wir aber auch sowohl bei den Eintagesrennen als auch bei den Rundfahrten um den Sieg mitfahren.

SPOBIS: Ihre neue strategische Partnerschaft mit Red Bull dürfte den Abstand zu den finanzstärksten Teams der UCI World Tour zumindest verkleinern. Wie ist es dazu gekommen, dass aus einem Förderer Ihres Nachwuchsteams ein Anteilseigner geworden ist?

Denk: Im Radsport macht es einen Riesenunterschied, ob du um den Sieg mitfahren kannst oder dich in der zweiten Reihe einordnen musst. Die mediale Sichtbarkeit für Teams, die nur hinterherfahren, geht gegen null. Deshalb haben wir gemeinsam mit unseren beiden größten Partnern evaluiert, wie es uns gelingen kann, die finanzielle Lücke zu den Top-Teams zu schließen.

SPOBIS: Dabei haben Sie direkt an Red Bull gedacht?

Denk: Es sind auch andere Interessenten an uns herangetreten, unter anderem aus dem arabischen Raum. Da haben wir uns aber die Frage gestellt, ob das für uns passt: auf der einen Seite mit Bora und Hansgrohe zwei deutsche Mittelständler und auf der anderen Seite ein Investor aus dem Nahen Osten. Das war für uns nur schwer vorstellbar. Bei Red Bull sah das hingegen ganz anders aus.

Nächste gemeinsame Etappe im Radsport: Red Bull arbeitet bereits seit drei Jahren mit Bora-Hansgrohe in der Nachwuchsförderung zusammen und hat zudem unter anderem schon dessen Fahrer Anton Palzer unter Vertrag. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

Nächste gemeinsame Etappe im Radsport: Red Bull arbeitet bereits seit drei Jahren mit Bora-Hansgrohe in der Nachwuchsförderung zusammen und hat zudem unter anderem schon dessen Fahrer Anton Palzer unter Vertrag. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

SPOBIS: Was hat den Ausschlag für den österreichischen Milliardenkonzern gegeben?

Denk: Zum einen arbeiten wir bereits seit drei Jahren erfolgreich mit Red Bull in der Nachwuchsförderung zusammen. Zum anderen ist auch die räumliche Nähe unserer Unternehmen, die nur rund 45 Minuten voneinander entfernt liegen, ein großer Pluspunkt. Deshalb haben wir schon länger darüber nachgedacht, wie man stärker voneinander profitieren kann.

Red Bull x Bora-Hansgrohe: Die neue Top-Allianz im Radsport

  • Ende Januar 2024 wurde das Fundament für das neue Joint Venture zwischen Red Bull und der RD Pro Cycling GmbH & Co. KG gelegt

    • Innerhalb von drei Monaten wurde die Partnerschaft zwischen Red Bull und der Betreibergesellschaft von Bora-Hansgrohe-Teammanager Ralph Denk ausgearbeitet

  • Red Bull übernimmt 51 Prozent der RD Pro Cycling GmbH & Co. KG, Bora-Hansgrohe wird im Zuge dessen zu einem „Corporate Project“ des österreichischen Unternehmens

  • Denk bleibt Geschäftsführer des deutschen Radteams, das beim Start der Tour de France am 29. Juni 2024 erstmals unter dem neuen Namen Red Bull-Bora-Hansgrohe im Peloton fahren wird

  • Das Budget von Bora-Hansgrohe dürfte sich von zuletzt knapp 25 Millionen Euro auf rund 45 Millionen Euro nahezu verdoppeln. Damit schließt das einzige deutsche World-Tour-Team zu den Branchenprimussen wie Ineos-Grenadiers und UAE Team Emirates auf

    • Es ist geplant, bis zu 30 Prozent des frischen Kapitals in die Struktur zu investieren. Dies umfasst die Erweiterung des Scoutings zu einem globalen Netzwerk sowie die Einführung eines eigenen U23-Teams, welches ab der kommenden Saison aktiv sein wird

    • Langfristig soll Red Bull-Bora-Hansgrohe zur Topadresse im internationalen Radsport aufsteigen

SPOBIS: Wie können wir uns die neue Partnerschaft konkret vorstellen?

Denk: Die Partnerschaft ist für Red Bull ein sogenanntes Corporate Project. Das heißt, das Engagement ist nicht zu verwechseln mit den zahlreichen Athleten-Sponsorings oder Partnerschaften, die man sonst aus dem Sport kennt. Wir komplettieren vielmehr die Teams, die Red Bull im Eishockey, der Formel 1, im Fußball und im Segeln unterhält. Das spiegelt sich auch darin wider, dass es sich nicht nur um ein reines Sponsoring handelt, sondern eben auch ein Investment in Form einer Beteiligung ist.

SPOBIS: Was bedeutet es für Ihr Team, nun Teil des Red-Bull-Kosmos zu sein?

Denk: Wir verfolgen alle das gleiche Ziel, wir wollen besser werden. Dabei stehen wir in bestimmten Bereichen vor den gleichen Herausforderungen. Nehmen wir das Beispiel Aerodynamik. Das ist nicht nur für uns äußerst relevant, sondern auch für das Formel-1- und das Segelteam von Red Bull. Da kann man sicherlich Synergien kreieren. Das Gleiche gilt beispielsweise für den Bereich Vermarktung.

Die gleichen Herausforderungen und Ziele: Wie für Oracle Red Bull Racing mit Weltmeister Max Verstappen, soll es auch für Bora-Hansgrohe ganz nach oben gehen (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Die gleichen Herausforderungen und Ziele: Wie für Oracle Red Bull Racing mit Weltmeister Max Verstappen, soll es auch für Bora-Hansgrohe ganz nach oben gehen (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

SPOBIS: Wer gibt in der neuen Konstellation künftig die strategische Richtung vor?

Denk: Red Bull wird sich nicht aufdrängen, ist aber natürlich an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt und mit Know-how dabei.

SPOBIS: Wissenstransfer ist das eine, Geld das andere. Ihr Team hat budgetär bislang mit rund 25 Millionen Euro einen Mittelfeld-Platz belegt. Die finanziellen Branchenprimusse Ineos Grenadiers und UAE Team Emirates gaben zuletzt mehr als das Doppelte aus. Können Sie diese Lücke durch den neuen Red-Bull-Deal schließen?

Denk: Wir nähern uns an. Das liegt aber nicht nur an der Partnerschaft mit Red Bull. Wir haben darüber hinaus in den vergangenen Monaten mit der Grenke Leasing Bank, Puma und Hugo Boss auch andere namhafte Unternehmen als Sponsoren für uns begeistern können. Das ist eine Wertschätzung dem Radsport gegenüber, die zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Reformpläne im Radsport: Das ist über das Projekt „One Cycling“ bekannt

Das sogenannte Projekt „One Cycling“ verfolgt das Ziel, zusätzliche Einkommensquellen für den professionellen Radsport zu erschließen. Die Idee umfasst unter anderem, neue Rennen in aufstrebenden Radsportmärkten wie Asien, Afrika sowie Mittel- und Südamerika zu etablieren, um eine eigenständige Rennserie zu schaffen. Darüber hinaus geht es beispielsweise um Pläne wie die Zentralvermarktung von TV-Rechten sowie Werbemöglichkeiten. Unterstützt werden soll „One Cycling“ vom saudi-arabischen Public Investment Fund (PIF), welcher dem Vernehmen nach bereit wäre, über sein Unternehmen SRJ Sports Investments rund 250 Millionen Euro in das neue Projekt zu investieren.

SPOBIS: Trotzdem gibt es im Radsport Reformbestrebungen. Warum gehören Sie zu den Befürwortern des sogenannten „One Cycling“-Projekts?

Denk: Der Radsport schöpft sein Potenzial meiner Meinung nach noch nicht voll aus. Das liegt unter anderem daran, dass der Kalender überfüllt ist und Top-Events teilweise parallel stattfinden, was in anderen Sportarten undenkbar wäre. Das führt wiederum dazu, dass der Radsport in der Vermarktung nicht die Ergebnisse erzielt, die unter anderen Bedingungen möglich wären.

SPOBIS: Wie kann das gelingen?

Denk: Wir sind im Radsport ohne Reformen weit gekommen. Ich glaube aber, der Kuchen kann noch deutlich größer werden. Dafür braucht es Mut zur Innovation und zur Veränderung. Um das zu erreichen, müssen Rennveranstalter, wir Teams und der Weltverband UCI an einem Strang ziehen.

Globales Entertainment-Produkt: Der Radsport zieht (wieder) das Interesse finanzkräftiger Investoren auf sich, unter anderem aus Saudi-Arabien. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

Globales Entertainment-Produkt: Der Radsport zieht (wieder) das Interesse finanzkräftiger Investoren auf sich, unter anderem aus Saudi-Arabien. (Foto: picture alliance / Roth / CV | Roth)

SPOBIS: In der Vergangenheit hat es bereits ähnliche Bemühungen gegeben, die über kurz oder lang gescheitert sind. Was ist heute anders?

Denk: Wir haben eine andere Ausgangslage. Jetzt ist das Interesse von externen Investoren da, die bereit sind, große Summen in den Radsport zu investieren, um ihn attraktiver für alle wichtigen Stakeholder zu machen – von den Fans über die Medien bis zu Sponsoren.

SPOBIS: Wo sehen Sie das größte Verbesserungspotenzial im Radsport?

Denk: Ich bin davon überzeugt, dass wir über eine Zentralvermarktung der World-Tour-Events höhere Einnahmen erzielen könnten als wenn sich jeder Rennveranstalter selbst regional vermarktet. Das gilt sowohl für die Medienpartnerschaften als auch für das Sponsoring.

SPOBIS: Wir haben bereits über die große finanzielle Kluft zwischen den verschiedenen Teams der World Tour gesprochen. Sehen Sie hier den Bedarf für eine Regulierung?

Denk: Letztendlich geht es darum, den Fans einen spannenden Wettbewerb zu bieten. Ich finde den Ansatz der Formel 1 gut, die Ausgaben einzugrenzen. Das hält die Teams nicht davon ab, mehr einzunehmen’ und schafft trotzdem gleichzeitig eine höhere Chancengleichheit.

SPOBIS: Herr Denk, vielen Dank für das Gespräch.

Titelfoto: picture alliance / Roth / CV | Roth

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